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Anne Katrin Feßler - Floating Chain

Fast zwei Tonnen Eisen verteilt auf 19 rostige Kettenglieder und acht Meter Länge ruhen am Galerieboden. Nur ein kleiner Teil einer Ankerkette, die mehr als 200 Meter lang, einmal dabei geholfen hat, einen Ozeanriesen aus Stahl am Meeresboden festzumachen, ihn in Position zu halten, ihn zu stabilisieren. Ein massives Stück oxidiertes Metall, an dem Sauerstoff und Salzwasser genagt haben, hat Werner Schroedl aus seinem Funktionszusammenhang gerissen und es „ablegen“ lassen. Im Raum der Galerie verweist das Objekt zwar einerseits auf seine Geschichte und auf seine industrielle Fertigung, ist aber andererseits weitaus mehr als ein in den White Cube transferiertes objet trouvé, weit mehr als ein auf ästhetische Qualitäten von Material und Form reduziertes Stück Minimal Art.

Wie ein monströses Tier liegt die ankerlose Kette und greift Glied für Glied Raum, besetzt den Platz auf eine Weise, der nicht widersprochen werden, an der auch gar nicht – selbst wenn man wollte – gerückt werden kann. Es scheint, als würde sich  das Ungetüm hier aufladen, um seinen Zustand der unendlichen Schwere irgendwann aufs Neue zu überwinden. „Floating Chain“ heißt die Arbeit, die schwebend, fließend, treibend bereits im Titel die Trägheit ihrer Masse verneint. Nicht die Eisenkette selbst ist also die Skulptur, denn es geht um ihr Potenzial, um das, was aus ihr wird, um die Grenzen, die sie überschreitet. Skulptural ist vielmehr das, was veränderlich ist, das, was vergänglich und vorübergehend ist. Und darin fügt sich „Floating Chain“ in den Gesamtzusammenhang von Werner Schroedls Arbeiten: Es sind ephemere Skulpturen, die sich im Medium Fotografie manifestieren und im Ausreizen ihrer Möglichkeiten surreale, unwirkliche Momente produzieren. Wie groß kann ein Ballon sein? Wie schwer die Ankerkette? Wieviel Flitter verträgt der Himmel?